Sizilianisch

Die dunkle Seite der Macht.

Giulio Polerio war in der zweiten Häfte des 16.ten Jahrhunderts nicht nur der beste Schachspieler Italiens, sondern auch der führende Theoretiker der Zeit. Er beschrieb als erster die Sizilianische Verteidigung, auch wenn sie zu dieser Zeit noch nicht so hieß, die mit den Zügen 1. e4 c5 und folgender Stellung beginnt:

Sizilianisch.

Der Zug 1. ... c5 gilt als beste Antwort für Schwarz auf die Königsbauerneröffnung, mit den besten Erfolgsaussichten, jeder Großmeister wählt sie, wenn er mit Schwarz auf Gewinn spielen muss. Warum eigentlich? Wenn man sich die Stellung oben anschaut, hilft einem 1. ... c5 für die Entwicklung der Läufer doch schon mal nichts. Und auch die Springer profitieren nicht wirklich, außer dass sich einer auf c6 hinter dem Bauern platzieren kann. Schon erstaunlich, wieso Sizilianisch so erfolgreich und populär ist.

Setzt Weiß mit 2. Sc3 fort, dann nennt man es den "Geschlossenen Sizilianer", nach weiteren typischen Zügen wie z.B. 2. ... Sc6 3. g3 g6 4. Lg2 Lg7 5. d3 d6 erhalten wir eine recht geschlossene Stellung, in der zuerst ruhige Entwicklung ansteht:

Sizilianisch.

Spielt Weiß hingegen 2. Sf3 um 3. d4 folgen zu lassen, dann nennt man es "Offenen Sizilianer". In welche Variante man dort gelangt hängt vom zweite Zug von Schwarz ab. Beliebt ist z.B. 2. ... Sc6, womit man nach 3. d4 cxd4 4. Sxd4 Sf6 5. Sc3 e5 in die Sweschnikow-Variante gelangen kann:

Sizilianisch.

Oder wenn Schwarz 2. ... e6 wählt, kommt man mit 3. d4 cxd4 4. Sxd4 Sc6 in die Taimanow-Variante:

Sizilianisch.

Mit Abstand am populärsten ist aber die Fortsetzung 2. ... d6, die nach 3. d4 cxd4 4. Sxd4 Sf6 5. Sc3 zu dieser Ausgangsstellung führt:

Sizilianisch.

Und hier verbergen sich ein paar der schönsten Perlen der Schacheröffnungs-Theorie. Die Fortsetzung mit 5. ... Sc6 wäre der Klassische Sizilianer, 5. ... g6 die Drachenvariante und 5. ... e6 die Scheveninger Variante. Absoluter Star der Eröffnungstheorie, nicht nur im Sizilianer, ist aber vermutlich die Najdorf-Variante mit 5. ... a6 und folgender Stellung:

Sizilianisch.

Schwarz nimmt den weißen Springern und dem Läufer das Feld b5 und bereitet gleichzeitig einen Angriff am Damenflügel vor. Weiß reagiert mit demselben Plan am Königsflügel. Befeuert durch ungleiche Rochaden, Schwarz kurz und Weiß lang, kommt es zu faszinierenden Partien auf Messers Schneide. Najdorf ist komplex, wild ... und macht Spaß!

Wir können uns hier nicht noch alle weiteren Varianten ansehen, dafür sind es einfach zu viele. Eine wäre mir aber noch sehr wichtig, die Alapin-Variante, oft einfach c3-Sizilianer genannt. Nach 1. e4 c5 2. c3 haben wir die Ausgangsstellung:

Sizilianisch.

Wird man als Weißer mit der Sizilianischen Verteidigung konfrontiert, kann man davon ausgehen, dass Schwarz gerne seinen Drachen oder seinen Najdorf spielen möchte. Wie kann man ihn als Weißer ärgern? Wie kann man selber bestimmen, wohin die Reise geht? Vor allem, wenn man sich mit Sizilianisch nicht so gut auskennt? Einfach mal die c3-Variante ausprobieren, das kann die Lösung sein. Es ist eine relativ überschaubare Eröffnung mit wenigen Varianten und einer klaren Idee, man möchte als nächstes 3. d4 spielen. Und wenn Weiß auf d4 tauscht, hat man selber zwei Bauern im Zentrum und Schwarz nur einen. Das war im Offenen Sizilianer ja genau umgekehrt, oder?

Wie reagiert Schwarz? 2. ... e6 ist denkbar um 3. ... d5 zu spielen. Denkbar wäre auch 2. ... e5 um Weiß an d4 zu hindern. Die Hauptvariante wäre aber 2. ... d5 und folgende Stellung:

Sizilianisch.

Nach 3. exd5 Dxd5 greift die schwarze Dame früh ins Spiel ein, was nicht so gefährlich ist, weil Weiß ja nicht Sc3 spielen kann. Und nach 4. d4 Sf6 5. Sf3 haben wir folgende Stellung erreicht:

Sizilianisch.

Definitiv kein Najdorf oder Drachen, Weiß hat also sein Ziel erreicht. 5. ... e6 oder 5. ... Lg4 wären jetzt gute Fortsetzungen für Schwarz. Da Figurenabtäusche in der Luft liegen, ist die Remiswahrscheinlich relativ hoch. Eine gleichwertige Alternative zu d5 wäre 2. ... Sf6 und folgende Stellung:

Sizilianisch.

Nach 3. e5 ist der Springer angegriffen, der mit 3. ... Sd5 nur ein sicheres Feld hat und wir erhalten nach den folgenden Zügen 4. d4 cxd4 5. Sf3 Sc6 eine recht ausgeglichene Stellung:

Sizilianisch.

Hier kann Weiß dann gleich zu 6. cxd4 greifen oder erst mit 6. Lc4 den Springer auf b6 vertreiben.


Fazit: Sizilianisch führt fast immer zu kämpferischen, interessanten Partien und ist die Wahl, wenn man als Schwarzer auf Sieg spielen möchte. Und es macht auch für Weiß viel Spaß "mitzuspielen". Die Theorie ist aber so umfangreich und komplex, dass Anfänger oft überfordert sind. Vielleicht muss man als Weißer dann lieber einmal zum Geschlossenen- oder c3-Sizilianer greifen, das ist remislastiger.