Französisch, Vorstoßvariante

Allez le Vorstoß!

Die Französische Verteidigung ist charakterisiert durch die Anfangszüge 1. e4 e6 und wird fast immer mit den logischen Zügen 2. d4 d5 fortgesetzt:

Französisch, Vorstoßvariante.

Hier könnte man nun als Weißer der Hauptvariante folgen mit 3. Sc3, die relativ komplizierte Varianten enthält oder auch die sehr remislastige Abtauschvariante mit 3. exd5 wählen, die einfacher und übersichtlicher ist. Mit 3. e5 gibt es aber auch noch die Vorstoßvariante, ein guten Kompromiss zwischen zu kompliziert und zu einfach:

Französisch, Vorstoßvariante.

Weiß hat Raum gewonnen, kann seine Figuren frei entwickeln und engt Schwarz ein. Gerade Sf6 oder Ld6 wären ja gute Entwicklungszüge für Schwarz, beides ist aber aktuell nicht möglich. Und den typischen "französischen" Läufer auf c8 kann man auch gut erkennen. Die Entwicklung dieses Läufers ist ein Hauptproblem für Schwarz, nicht nur in der Vorstoßvariante.

Wie also weiter? 3. ... b6 ist denkbar oder 3. ... Se7, beides sicherlich verständliche Züge. Aber ist das nicht alles irgendwie zu passiv? Wenn Schwarz nicht aufpasst, wird er einfach von Weiß zusammengeschoben. Viel zu einfach ist es für Weiß die Figuren ins Spiel zu bringen oder von einem Flügel zum anderen umzugruppieren, während Schwarz noch umständlich rummanövrieren muss nur um mal irgendwo zur Rochade zu kommen. So geht es nicht.

Schwarz muss sofort aktiv werden, nicht zugucken. Er muss dafür sorgen, dass die ihn einengenden Bauern keine Stärke für Weiß sind, sondern zu einer Schwäche werden. Schwarz muss beweisen, dass sich Weiß zu weit vorgetraut hat. Zwei Bauernvorstöße sind denkbar um die vorgerückten weißen Bauern sofort anzugreifen. Einer wäre 3. ... f6, das würde den Königsflügel aber schon etwas luftig machen. Der andere ist besser, 3. ... c5 und folgende Stellung:

Französisch, Vorstoßvariante.

Hier gibt es die Nimzowitsch-Variante, bei der mit 4. Dg4 cxd4 5. Sf3 Sc6 einfach ein Bauer vorerst geopfert wird, dafür ist die Entwicklung von Schwarz aber stark eingeschränkt:

Französisch, Vorstoßvariante.

Als nächstes kommt noch 6. Ld3 und dann sieht das alles schon recht bedrohlich aus, doch so wirklich Angst haben braucht Schwarz da nicht. Das lässt sich alles gut verteidigen und man ist einen Bauern vorne, das darf man nicht vergessen. Leichter spielen lässt es sich aber sicherlich für Weiß.

Kommen wir zurück zu Hauptvariante, in der Weiß den Bauern auf d4 deckt und um dieses Feld dreht sich dann auch erstmal alles. Nach 4. c3 Sc6 5. Sf3 haben wir folgende Stellung:

Französisch, Vorstoßvariante.

Alles schaut auf d4. Eine interessante Idee für Schwarz wäre jetzt mit 5. ... Sh6 einen Springertransfer nach f5 durchzuführen um noch einmal extra Druck auf d4 auszuüben. Oder auch mit 5. ... Sge7.

Eine andere Idee ist mit 5. ... Ld7 mögliche Schachs, die in der Zukunft auf der Diagonalen a4 nach e8 auftauchen könnten, zu unterbinden und den Turm auf die c-Linie zu stellen. 5. ... Ld7 wäre aktuell auch die Hauptvariante auf Topniveau.

Ähnlich beliebt ist aber auch sofort 5. ... Db6, worauf Weiß mit 6. a3 reagieren sollte, was b4 vorbereitet:

Französisch, Vorstoßvariante.

6. Le2 wäre natürlich auch gut gewesen, ich möchte aber nicht zu weit ins Detail gehen, weil ich denke, dass ihr bereits einen guten Eindruck gewonnen habt.

Lasst uns lieber zum Abschluss noch eine Falle anschauen, die euch Weiß stellen könnte und auf die ihr aufpassen müsst. Nach 5. ... Db6 könnte Weiß 6. Ld3 spielen, kann man da jetzt nicht einen Bauern gewinnen, weil die Dame nicht mehr d4 deckt?

Französisch, Vorstoßvariante.

Vorsichtig! Nach 6. ... cxd4 7. cxd4 Sxd4 8. Sxd4 Dxd4 hat Weiß einen Gewinnzug. Findet ihr ihn?

Französisch, Vorstoßvariante.

Richtig! Nach 9. Lb5+ verliert Schwarz die Dame. Jetzt seht ihr auch, wieso 5. ... Ld7 die Hauptvariante ist um genau solche Tricks zu verhindern.


Fazit: Nimzowitsch hielt die Vorstoßvariante für die beste Spielweise gegen die Französische Verteidigung. Heutige Großmeister würden dem widersprechen und halten die Hauptvariante mit 3. Sc3 für anspruchsvoller. Wir sind aber keine Großmeister und da passt uns 3. e5 ideal ins Konzept, weil es überschaubar ist und gute Siegchancen ermöglicht. Und für Schwarz ist es gut zu spielen, weil man mit "Alles auf d4!" einen sehr gut zu verstehenden Plan verfolgt.