Giuoco Pianissimo

Entschleunigung im Schach.

Die Italienische Eröffnung wird auch "Giuoco piano" genannt, Italienisch für "Ruhiges Spiel". Hintergrund ist, dass die Entwicklung der Figuren im Vordergrund steht, nicht so sehr die frühe Konfrontation. Eigentlich ist das ein sehr vernünftiges Prinzip, ein sehr effektiver Plan. Ziel der Eröffnung ist es ja gerade so schnell wie möglich die Figuren auf gute Positionen zu bringen. Nach den Zügen 1. e4 e5 2. Sf3 Sc6 3. Lc4 Lc5 erhalten wir die Ausgangsstellung der Italienischen Eröffnung:

Giuoco Pianissimo.

Ab hier werden viele Weißspieler dann nervös, "piano" wird über Bord geschmissen und mit 4. b4 oder 4. d4 die Gambits ausgepackt. Das ist aber eigentlich nicht im Sinne der Eröffnung. Warum schon Abtäusche provozieren? Wieso schon Linien aufreißen, wenn man noch gar nicht alle Figuren entwickelt hat? Und genau bei dieser Überlegung setzt eine Variante ein, die "Giuoco pianissimo" genannt wird, also das "ganz ruhige Spiel". Nach 4. d3 haben wir die Ausgangsstellung:

Giuoco Pianissimo.

Ein möglicher Zug für Schwarz wäre jetzt 4. ... h6, damit Weiß den Springer oder Läufer nicht nach g5 spielen kann. Solche Eselsohren in der Bauernstruktur sieht man öfters:

Giuoco Pianissimo.

Zumeist spielt man solche Züge, weil einem nichts Besseres einfällt. Soll der andere doch erst mal was machen. Ich passe! Genau genommen sind solche Züge aber fast immer Tempoverluste, Schwarz sollte stattdessen lieber Figuren entwickeln. Spielt a3, h3, a6 oder h6 lieber erst dann, wenn ihr damit auch eine gegnerische Figur angreifen und wieder vertreiben könnt, nicht vorher. Besser wäre da schon 4. ... d6, Schwarz spielt also im Grunde nur nach:

Giuoco Pianissimo.

Das wäre jetzt eine sehr remislastige Variante, weil die Bauernstrukturen symmetrisch sind. Wenn jetzt noch Figuren abgetauscht werden, dann bleibt kaum noch ein Endspiel übrig, das man gewinnen kann. Das Vorgehen ist aber generell typisch für Giuoco pianissimo. Es geht um das langsame Entwickeln, das Hin- und Hermanövrieren der Figuren. Weiß könnte jetzt 5. c3 spielen um die gegnerischen Figuren einzuschränken, mit c2 ein Feld für den Läufer zu schaffen oder b4 und a4 am Damenflügel vorzubereiten. Der beliebteste 4. Zug für Schwarz wäre aber 4. ... Sf6 und folgende Stellung:

Giuoco Pianissimo.

Entscheidet sich Weiß jetzt wieder für 5. c3, dann erhalten mit 5. ... a6 6. Lb3 La7 ein bisschen die kuriose Situation, dass beide Seiten etwas voreinander weglaufen:

Giuoco Pianissimo.

Oft wird auch 5. 0-0 d6 eingeschoben, bevor es mit 6. c3 a6 7. Lb3 La7 analog zu oben weitergeht:

Giuoco Pianissimo.

Abschließend noch eine typische Variante, die man häufiger bei Anfängern beobachten kann. Sie enthält ein Motiv, das ihr kennen und vermeiden solltet. Nach 1. e4 e5 2. Sf3 Sc6 3. Lc4 Lc5 4. d3 d6 5. Sc3 Sf6 6. 0-0 Lg4 haben beide Seiten sehr vorbildlich den Fokus auf die Entwicklung der Figuren gelegt und folgende recht symmetrische Stellung erreicht:

Giuoco Pianissimo.

Die beste Fortsetzung für Weiß wäre jetzt tatsächlich 7. Sa4, was etwas seltsam ist, weil es ja eigentlich heißt: "Springer am Rand, bringt Kummer und Schand!". Springer am Rand wirken auf weniger Felder, deshalb sollten sie immer Richtung Zentrum entwickelt werden. In diesem Fall soll er aber einfach nur den gefährlichen schwarzen Läufer auf c5 abtauschen, mehr nicht. Was man aber stattdessen oft sieht, ist, dass Weiß 7. Lg5 spielt um auch einen Springer zu fesseln. Das ermöglicht Schwarz dann aber mit 7. ... Sd4 einen Angriff auf den gefesselten Springer auf f3:

Giuoco Pianissimo.

Und nach 8. Le3 Sxf3+ 9. gxf3 Lh3 haben wir ein Loch in der Rochade und sobald die Schwarze Dame noch auf der h-Linie auftaucht, auch einen ziemlich unangenehmen Mattangriff:

Giuoco Pianissimo.


Fazit: Die Italienische Eröffnung ist grundsätzlich für jeden Spieler geeignet, gerade auch für den Anfänger, weil er in ihr sehr gut die elementaren Grundregeln der Eröffnung kennenlernen und einstudieren kann. Es geht um die Entwicklung der Figuren, um das langsame Manövrieren und nicht um den wilden Angriffswirbel. Im Giuoco pianissimo wird dies auf die Spitze getrieben. Wie gut diese Eröffnung ist, zeigt sich darin, dass sie in den letzten Jahren auf Topniveau wiederentdeckt und ausgiebig praktiziert wurde. Man kann als Weißer sehr lange einen kleinen Anzugsvorteil behaupten. Was will man mehr von einer Eröffnung?