Caro-Kann ich mal vorbei?
Die Caro-Kann-Verteidigung entsteht nach den Anfangszügen 1. e4 c6 und wird fast immer mit 2. d4 d5 fortgesetzt:
In dieser Stellung hat Weiß eine große Anzahl an guten Zügen. 3. f3 wäre z.B. die sogenannte Fantasy-Variante, die als ein bisschen zweischneidig gilt. Deutlich beliebter wäre die Abtauschvariante mit 3. exd5 und der Idee, Spiel und Stellung zu vereinfachen. Als nächstes folgt in der Beliebtheit 3. Sd2 und danach die Hauptvariante 3. Sc3, beides um den Bauern auf e4 zu decken.
Am Beliebtesten unter den Topspielern ist aber tatsächlich die Vorstoßvariante mit 3. e5 und folgender Stellung:
Das engt ein und nimmt Schwarz die Felder f6 und d6. Da stellt sich vorerst kein schwarzer Läufer oder Springer mehr hin. Und gleichzeitig gewinnt Weiß Raum um seine Figuren ideal entwickeln zu können. Man ahnt, wieso die Variante so beliebt ist für Weiß. Schwarz muss aber nicht abwarten und zuschauen, er kann gleich mit 3. ... c5 das starke weiße Zentrum angreifen:
Und nach 4. dxc5 Sc6 5. Lb5 e6 haben wir eine ausgeglichene Stellung:
Man hätte auch gleich 4. ... e6 spielen können, was den Läufer auf c8 jedoch einmauert. Schwarz hat also den c-Bauern in der Eröffnung zweimal gezogen, ihn dann sogar vorläufig geopfert, dafür aber das weiße Bauernzentrum gesprengt und Gegenspiel mit den Figuren gewonnen. Nicht der populärste Weg, es funktioniert aber recht gut. In der Hauptvariante verschiebt man die Idee mit c5 auf später und versucht zuerst den problematischen c8-Läufer zu entwickeln und spielt ihn mit 3. ... Lf5 vor die Bauernkette:
Er soll da eigentlich gar nicht wirklich was machen. Wenn man ihn dort einfach nur sinnvoll abgetauscht kriegt, z.B. gegen den gegnerischen Läufer, dann wäre man schon hochzufrieden. Also z.B. nach 4. Ld3 würde man gleich schlagen und hat als Schwarzer nach 4 Zügen schon den Anzugsvorteil von Weiß ausgeglichen. Was sind bessere Fortsetzungen für Weiß? Der ruhige Weg, bei dem es erst einmal um die Entwicklung der Figuren geht, wäre 4. Sf3 und die sehr beliebte Short-Variante:
In dieser Variante erhält sich Weiß einen kleinen Vorteil, indem er einfach mit 4. ... e6 5. Le2 Sd7 6. 0-0 ruhig weiterentwickelt:
Mit 6. ... h6 7. Sbd7 Lh7 8. c3 Se7 könnte es im gleichen Sinne weitergehen und beide Seiten sind recht zufrieden:
Im krassen Gegensatz dazu steht die aggressive Tal-Variante mit 4. h4, in der Schwarz gut auf seinen Läufer aufpassen muss:
Nach 4. ... e6 5. g4 hätte Schwarz ihn z.B. schon verloren. Es muss also ein Schlupfloch her. In der Entscheidung, ob h6 oder h5, sollte man in der ruhigen Short-Variante auch ruhiger h6 spielen und in allen anderen Variante lieber h5, selbst wenn der h-Bauer dadurch geopfert wird, was wir später noch sehen werden. Nach 4. ... h5 5. c4 e6 6. Sc3 Se7 sehen wir, dass es bei Tal einiges wilder zuging als bei Short:
Zum Abschluss noch als Kompromiss mit 4. Sc3 e6 5. g4 die Van-der-Wiel-Variante:
Das ist definitiv auch scharf gespielt, der Läufer muss mit 5. ... Lg6 zurück und Weiß droht mit 6. Sge2 den Angriff am Königsflügel zu verstärken:
Wenn sich Schwarz jetzt nicht an das Gegenspiel am Damenflügel mit c5 erinnert, wird er heftig unter Druck geraten. Und dass man nur in der Short-Variante h6 spielt, sollte man auch noch wissen. Die beste Fortsetzung für beide Seiten ist also 6. ... c5 7. h4 h5 8. Sf4 Lh7 9. Sxh5 und folgende Stellung:
Klar, Schwarz hat einen Bauern verloren, nach 9. ... Sc6 ist aber das weiße Bauernzentrum unter Feuer, der weiße Springer auf h5 deplatziert und der weiße Königsflügel auch sehr luftig. Das reicht als Kompensation.
Fazit: Die Vorstoßvariante ist eine sehr gute Wahl für Weiß gegen die Caro-Kann-Verteidigung. Sowohl vorsichtige, als auch aggressive Spieler finden hier die zu ihnen passenden Varianten. Doch auch Schwarz muss nicht wirklich Angst haben. Klar, es sieht beengt aus, aber die schwarze Stellung ist ungemeint stabil.