Polnische Verteidigung

Starker Gegner, starke Verteidigung?

Viele Spieler versuchen die offenen oder halboffenen Eröffnungen mit e2-e4 zu vermeiden und spielen stattdessen die Damenbauerneröffnung d2-d4 mit Weiß. Wie geht man damit um als Schwarzspieler, vor allem, wenn man gegen einen stärkeren Gegner antritt? Die sind ja auch gerade deshalb besser, weil sie sich einfach in der Eröffnungstheorie viel besser auskennen als man selber.

Das beste ist eigentlich eine Verteidigung zu spielen, die man kennt und bei der man sich wohlfühlt. Ein gutes Gefühl ist manchmal wichtiger, als immer den allerbesten Zug zu finden. Schachengines errechnen dann vielleicht ein Plus von einem Drittel Bauerneinheiten für den Gegner oder auch eine halbe Bauerneinheit. Das ist dann aber bei Weitem kein entscheidender Vorteil für den Gegner! Hautpsache man fühlt sich gut. Da hilft dann manchmal auch handfester Selbstbetrug, indem man sich immer wieder vor Augen hält, welche eigenen Figuren gerade super dastehen und welche Figuren des Gegners nun ja völlig blockiert und bescheuert platziert sind. Immer positiv bleiben! Ihr macht das super!

Anstatt am Altbewährten festzuhalten, an dem, was man kennt und dann doch ausgespielt zu werden, weil der andere die Varianten einfach noch besser und weiter kennt, gibt es noch eine Alternative: Exoten-Eröffnungen, die den Gegner aus der Theorie reißen. Oft sind das dann Eröffnungen, die etwas dubios sind, die genau deshalb auch keiner kennt und spielt, weil sie einfach schlecht sind. Aber davon lassen wir uns mal nicht abschrecken. Wir wollen das Theoriedefizit ausgleichen und ein paar Eröffnungen sind nun auch wieder nicht sooo schlecht, dass man sie nicht zumindest ausprobieren könnte. Und sei es auch nur um den irritierten Blick des Gegners zu genießen.

Die Polnische Verteidigung wurde nach der Nationalität des Schachspielers und -theoretikers Aleksander Wagner benannt, der diese Eröffnung Anfang des 20.ten Jahrhunderts zuerst anwandte und beschrieb. Der charakteristische Zug für diese Verteidigung ist ist b7-b5, so dass wir nach 1. d4 b5 folgende Ausgangsstellung auf dem Brett haben:

Polnische Verteidigung.

Und oberflächlich betrachtet haben wir jetzt eigentlich auch schon fast die Endstellung der Varianten erreicht, was auch genau der große Vorteil für Schwarz ist. Es gibt nicht wirklich eine umfangreiche Theorie, keine komplizierten Varianten, Fallen oder sonstiges. Nach 2. e4 Lb7 erhalten wir:

Polnische Verteidigung.

Schwarz möchte also mit dem fianchettierten Läufer Druck auf den Weißen Königsflügel ausüben und das Feld e4 überdecken. Gleichzeitig Raum auf dem Damenflügel mit seinem Bauern auf b5 besetzen, der auch schön das Feld c4 kontrolliert. Muss Weiß aber vor irgendetwas Angst haben? Eigentlich nicht. f2-f3 würde den Bauern auf e4 unterstützen, der Springer kann nach d2, der Läufer nach d3 oder sogar den Bauern auf b5 angreifen/wegnehmen, man merkt schon, dass Schwarz nicht viel hat in dieser Verteidigung. Aber von einer Verluststellung ist es auch meilenweit entfernt. Vielleicht deckt er den Bauern auf b5 mit a7-a6, fianchettiert auch auf dem Königsflügel und entwickelt dann seine Figuren. Sieht doch durchaus spielbar aus, oder?

Eine Option wäre auch b5 herauszuzögern und erst später als Überraschung zu spielen. 1. d4 Sf6 2. Sf3 b5 würde zum Beispiel zu folgender Stellung führen und kann auch der Polnischen Verteidigung zugerechnet werden:

Polnische Verteidigung.

Oder als Waffe gegen die Reti-Eröffnung um dem Weißen den Zug c2-c4 zu vermiesen. Nach 1. Sf3 Sf6 2. g3 b5 ergibt sich:

Polnische Verteidigung.


Fazit: Exoteneröffnungen sind zumeist dubios und eignen sich eigentlich nur für Spiele gegen Gegner, gegen die man eh verliert. Aber als Schwarz hat man sowieso den Anzugsnachteil und wird sehr oft aus der Eröffnung mit einem kleinen Nachteil herausgehen. Warum dann nicht einfach mal eine kleine Überraschung für Weiß? Wird schon schiefgehen!