Englisch

Wer solche Freunde hat ...

Die Englische Eröffnung wird charakterisiert durch den Zug c2-c4. Benannt wurde sie nach dem englischen Schachmeister Howard Staunton, der Mitte des 19.ten Jahrhunderts als bester Schachspieler der Welt galt. Im deutschsprachigen Raum wurde sie zeitweise auch gerne Bremer Partie genannt, da der Bremer Schachmeister Carl Carls mit Weiß stets diese Eröffnung wählte. Es gibt die nette Anekdote, dass Freunde ihm sogar einmal zum Spaß den c-Bauern vor einem Spiel festklebten. Aber bleiben wir lieber bei den Fakten.

Die Englische Eröffnung ist eine der am häufigsten gespielten Eröffnungen, sie ist eine der vielseitigsten, weil man durch Zugumstellung in viele andere Eröffnungssystem überleiten kann und sie bietet eine der besten Erfolgsbilanzen. Für Weiß also definitiv eine gute Wahl. Drei Gruppen kann man grob unterscheiden, die wir uns hier kurz anschauen wollen:


1. Symmetrievariante:

Hier kopiert Schwarz einfach mal alles, was Weiß so macht. Kann ja nicht so schlecht sein. Auf 1. c4 folgt 1. ... c5, auf 2. Sc3 folgt 2. ... Sc6 und so weiter. Da steigt natürlich die Remisgefahr. Gleiche Bauernformationen, die sich blockieren und Figurenabtäusche, die das Spiel vereinfachen, erhöhen immer die Remiswahrscheinlichkeit. Nun ja, vielleicht ist Schwarz ja damit zufrieden und will gar nicht gewinnen.

Ein extremes Beispiel für die Symmetrievariante wäre z.B. folgender Verlauf 1.c4 c5 2.Sc3 Sc6 3.g3 g6 4.Lg2 Lg7 5.Sf3 Sf6 6.0-0 0-0 , der zu folgender Stellung führt:

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Weiß wird jetzt vermutlich mit 7. d4 fortsetzen und dann wird hoffentlich mal was passieren. Aber das könnte dann natürlich auch der Startschuss sein zum großen Abtauschen und zur großen Langeweile. Es bleibt dann zumeist schlicht kein Endspiel übrig, in dem man noch was reißen könnte. Dies ist der Hauptgrund, weshalb starke Spieler immer versuchen Stellungen zu erzeugen, in denen Asymmetrie vorherrscht, die kompliziert sind, aus denen man was machen kann. Starke Spieler, die gewinnen wollen, vermeiden möglichst Symmetrie.

Die obige Stellung kann natürlich auch durch ganz andere Zugfolgen entstehen, c7-c5 muss nicht gleich durch Schwarz erfolgen, es bleibt aber trotzdem die Symmetrievariante. Die erste echte Herausforderung, der erste Angriff erfolgt dann zumeist durch Weiß oder durch Schwarz mittels d-Bauern, der dann oft abgetauscht wird. 1.c4 c5 2.Sc3 Sf6 3.Sf3 d5 4.cxd5 Sxd5 führt z.B. zu folgender Stellung:

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Das sieht jetzt nicht so schlecht aus für Schwarz, der einen schönen Raumgewinn im Zentrum erlangt hat. Weiß kann dieses Zentrum aber gut attackieren mit 5. d4 oder 5. e4. Auch 5. g3 um einen fianchettierten Läufer vorzubereiten wäre eine gute Idee.


2. Sizilianisch im Anzuge:

Diese Variante hat jetzt nichts mit einem Smoking oder schicken Zweireiher zu tun, sondern wird so genannt, weil wir die gleiche Stellung haben wie in der Sizilianischen Verteidigung, nur diesmal für Weiß mit dem c-Bauern und Weiß ist der Anziehende, also der, der die Partie beginnt. Im Vergleich zum Schwarzspieler in der Sizilianischen Verteidigung hat Weiß bei Sizilianisch aber ein Tempo gewonnen, weil er wieder am Zuge ist. Verstanden?

Nach 1. e4 c5 (=Sizilianische Verteidigung) hat Schwarz den c-Bauern vorgerückt, ist jetzt aber nicht am Zug. Nach 1. c4 e5 (=Sizilianisch im Anzuge) hat Weiß den c-Bauern und ist jetzt wieder am Zug. Für jemanden, der die Sizilianische Verteidigung mag, könnte die Englische Eröffnung also ein guter Tipp für Weißspiele sein.

Auch wenn der Zug e5 später kommt, nennt man es Sizilianisch im Anzuge, das macht gerade auch das Flexible an der Englischen Eröffnung aus. Ein typischer Verlauf wäre zum Beispiel 1.c4 Sf6 2.Sc3 Sc6 3.Sf3 e5 mit folgender Stellung:

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3. Andere:

Noch kurz ein paar Worte zur letzten Gruppe, unter der alle Varianten zusammengefasst werden, bei denen Schwarz nicht mit 1. ... c5 oder 1. ... e5 antwortet. Typische Beispiele wären 1. ... Sf6, 1. ... f5 oder 1. ... c6. Aber auch etwas Ungewöhnlicheres wie 1. ... g5 oder 1. ... b5 werden durchaus gespielt.

Oft wird dann in andere Eröffnungssystem umgeleitet, z.B. ins Damengambit, in die Reti-Eröffnung oder in Indische Eröffnungssysteme.


Fazit: Die Englische Eröffnung ist sehr flexibel und in den Standardvarianten für jeden Spieler gut anwendbar. Durch die vielen Möglichkeiten in andere Systeme überzuleiten, birgt sie aber nicht nur Gefahren für den Gegner, man kann auch selber aufs Glatteis geraten. Überfordert euch also nicht selber und wenn ihr Schwarz habt, wählt zur Not lieber die Symmetrievariante!