Nimzowitsch Indisch

Genial, eitel, gut!

Aaron Nimzowitsch war Anfang des 20.ten Jahrhunderts einer der bekanntesten Schachtheoretiker, vor allem sein Buch "Mein System" prägte viele Schachspieler, nicht nur im deutschsprachigen Raum. Es liest sich teilweise etwas befremdlich, liefert der Autor doch so manche Abschweifung, entweder ins Humorige oder ins Eitle. Insgesamt aber ein tolles Buch, für jeden Schachspieler zu empfehlen.

Die neue Idee der Zeit war, und das was damals wirklich etwas Eröffnungs-Revolutionäres, dass man nicht unbedingt versuchen muss das Zentrum mit Bauern zu besetzen und zu beherrschen, sondern dass man die Zentrumsbauern des Gegners auch mit Figuren hemmen und behindern kann, z.B. mit fianchettierten Läufern. Eine entsprechende Idee findet man auch in der Nimzowitsch-Indischen Verteidigung, die bis heute die renommierteste Antwort auf 1. d4 geblieben ist. Sie ergibt sich nach den Zügen 1. d4 Sf6 2. c4 e6 3. Sc3 Lb4 und folgender Stellung:

Nimzoindisch.

Weiß würde gerne noch weiter vorrücken mit seinen Bauern, mehr Raum besetzen im Zentrum, z.B. mit 4. d5 oder 4. e4, doch irgendwie funktioniert das nicht. Seltsam eigentlich, weil Schwarz ja gar keine Bauern im Zentrum platziert hat. Aber der schwarze Bauer auf e6 zusammen mit dem Springer auf f6 verhindern es einfach. Und der weiße Springer, der das Vorrücken seiner Bauern unterstützen sollte, hilft auch nicht weiter, weil er vom Läufer gefesselt wird. Irgendwie verzwickt, aber was ist das Problem für Weiß? Was der Vorteil für Schwarz?

Die Idee ist, dass Schwarz flexibler bleibt. Wenn man nämlich wie in dieser Verteidigung die Bauern zurückhält, bleibt das Zentrum viel länger unbestimmt, man legt sich nicht auf einen Plan oder eine Struktur fest, man kann leichter Asymmetrien herbeiführen. Bauernketten könnten sich ansonsten zu leicht ineinander verhaken, wenn sie sich zu nahe kommen, dann geht da gar nichts mehr. Oder sie tauschen sich im Zentrum alle schnell ab, es entstehen offene Linien und Generalabtäuschen der Figuren sind in der Folge kaum noch zu verhindern.

Der Läufer auf b4 wird oft einfach gegen den Springer getauscht. Weiß gewinnt das Läuferpaar, muss dafür aber zumeist einen Doppelbauern und eine unbeweglichere Bauernstruktur hinnehmen. In der Sämisch Variante mit 4. a3 Lxc3+ 5.bxc3 würden wir z.B. genau solch eine Situation erreichen:

Nimzoindisch.

In der Klassischen Variante agiert Weiß vorsichtiger und spielt 4. Dc2. Das entwickelt die Dame auf eine sinnvolle Position, deckt den Springer und verhindert die Entstehung des Doppelbauern:

Nimzoindisch.

So ganz ideal ist es aber auch nicht für Weiß schon so früh mit der Dame rumzuziehen, wenn man sich lieber um den Königsflügel kümmern sollte. Da hängen ja noch alle Figuren auf der Grundreihe fest! Eine typische Fortsetzung wäre 4. ... 0-0 5. a3 Lxc3+ 6. Dxc3 b6 7. Lg5 und folgende Stellung:

Nimzoindisch.

Es gibt andere beliebte Fortsetzungen für Weiß wie z.B. 4. Lg5 (=Leningrader Variante) oder 4. Sf3 (=Kasparow Variante), alles eher Systeme, die aus vielen Einzelvarianten bestehen. Wir wollen uns hier aber nur noch die Rubinstein Variante zum Abschluss anschauen, die durch den Zug 4. e3 und folgender Stellung gekennzeichnet ist:

Nimzoindisch.

Hier wird erst einmal das Zentrum befestigt, also eher ein passiver Ansatz, nicht so offensiv. Zudem gibt es das Feld e2 für den Springer vom Königsflügel frei, auch eine gute Methode um einen Doppelbauern auf der c-Linie zu verhindern. Die normale Fortsetzung wäre aber 4. ... 0-0 5. Ld3 d5 6. Sf3 c5 7. 0-0 mit folgender Stellung:

Nimzoindisch.


Fazit: Die anerkannt beste Antwort auf 1. d4 ist die Nimzowitsch-Indische Verteidigung. Was für Großmeister gilt, muss aber nicht unbedingt auch für euch gelten. Sucht euch also lieber Eröffnungen, die zu Stellungen führen, in denen ihr euch wohl fühlt. Ein gutes Gefühl ist im Spiel oft viel wichtiger als ein kleiner Stellungsvorteil.